Digitale Intimität auf Zoo(m)

Manila Zoo von Eisa Jocson

Tanzquartier TQW Magazin, 2022

 

© Bernie Ng

Der Manila Zoo lädt ein, filmisch-fragmentarische Einblicke in die Lebenswelten von Exot*innen zu konsumieren. Auf der Bühne ist dafür eine Leinwand aufgestellt, auf der die Performer*innen erscheinen. Unbekleidet toben sie in ihren Zimmern und lassen sich betrachten, als dem Menschen nicht ebenbürtige Tierartige, in szenische Kader gedrängt. Sie treten mit dem Bein aus, werfen den Kopf in den Nacken. Unruhig rotieren sie um die eigene Achse und streifen im Kreis umher. Gefangenschaft bringt repetitive, psychotische Verhaltensmuster hervor, wie wir sie alle schon einmal bei Zootieren beobachtet haben. So wie eine illusionistische Theaterbühne soll auch der Zoo von Besucher*innen nicht als vom Menschen gemachte Architektur, sondern als eine fremde, den Tieren zugehörige Welt erscheinen. In der Live-Stream-Performance
überträgt Eisa Jocson diese Dramaturgie des Zoos auf die Online- Gitterstruktur von Zoom. Begleitet von Performer*innen auf den Philippinen und in Brüssel, und einem technischen Team zwischen Singapur, Wien und Frankfurt setzt Jocson mit dieser Arbeit die Serie HAPPYLAND fort.

Vor dem Hintergrund der gespenstisch leeren Bühne stellen die digitalen Bilder eine entkörperlichte, aber verstörend intensive, auf Schaulust spekulierende Nähe her. Die Performer*innen wärmen sich bereits während des Saaleinlasses vor ihren Kameras auf, geben später Einblick in gemeinsame Pausenrituale und wie sie nach getaner Arbeit ihre Muskulatur lockern und ihre Körper wieder abkühlen. Zoo und Zoom vereinen sich als Orte einer künstlich erzeugten Intimität. Die Momente des Auftritts und des Abtritts ins Off der Bühnensituation verschieben sich hier in den Modus eines zirkulierenden Live-Werdens.

Der Zoom-Zoo verbindet den Konsum sinnlich inszenierter Online-Bildwelten mit den mystifizierenden Praxen eines globalen Kapitalismus, der Produktionsbedingungen verschleiert und nicht in der Lage ist, affektive Arbeit anzuerkennen. Das Digitale ist jedoch nicht bloßer Effekt, sondern bildet vielmehr die Infrastruktur der Arbeit selbst. Die Performance übersetzt die ungleichen Erfahrungen unserer globalen Wirklichkeit in klar begrenzte Kader. Das disneyfizierte Raubtier erscheint im Zerrspiegel der Verniedlichung und des Anthropomorphismus. Die Phantasmagorie des Zoos macht aus dem Erhabenheitsgefühl der Menschen gegenüber den Tieren ein Geschäft – damit aber nicht genug. Die Performance wirft auch, ohne dass dies je explizit angesprochen wird, Licht auf einen Aspekt der europäischen und amerikanischen Kolonialgeschichte des 19. Jahrhunderts, als in vielen Zoos nicht nur Tiere, sondern auch als „exotisch“ erachtete Menschen ausgestellt wurden.

Das Publikum wird später über Kamera und Mikrofon selbst Teil des Zoom-Meetings und kann Fragen an die Performer*innen stellen. Deren Antworten verdunkeln das tropische Freizeitambiente mit Hinweis auf die ihm eingeschriebenen geopolitischen und sozialen Ungleichheiten. Sie zeichnen eine Realität nach, die von Korruption, mangelnden oder schlecht verteilten Ressourcen und Migration ins Ausland geprägt ist. Die Performer*innen sind jedoch „für alle Fragen“ verfügbar, „always at your service“, dem Klischee entsprechend, das Filipinas* und Filipinos* insbesondere im Kontext von Arbeitsmigration anhaftet. Jocsons klug skaliertes Konzept spielt dabei mit der (vermeintlichen) Überlegenheit der Betrachter*innensituation und dem kolonialen Erbe der moralischen Selbstüberhöhung des Westens gegenüber „unzivilisierten Anderen“. Der Zoom-Call als Zoo schafft so letztlich einen utopischen Ort, an dem Machtverhältnisse immer wieder neu ausgehandelt werden können. Manila Zoo ist eine beeindruckend komplexe Performance über die Bedeutung von Livenessund Sichtbarkeit vor dem Hintergrund ungleicher Produktionsbedingungen und Ausbeutung in einer globalisierten Welt.